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Angie Kim: Miracle Creek
Buchtipp von Nadja Schettler
Geschrieben am 11.09.2020
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Miracle Creek, Virginia:

Ein Gerichtsprozess beginnt, der eine Kleinstadt auf tragische Weise auf den Kopf gestellt hat: in einer Unterdruckkammer, in der Behandlungen mit reinem Sauerstoff durchgeführt werden, gab es einen Brand.

In dessen Folge starben Henry, ein kleiner Junge und Kitt, eine fünffache Mutter.

 

Auf der Anklagebank sitzt nun die Mutter des Jungen - Elizabeth.

Sie wird beschuldigt, das Feuer absichtlich gelegt zu haben.

Als weitere Zeugen sind das koreanische Ehepaar Pak und Young Yoo zu hören, dem die Unterdruckkammer, die "Miracle Submarine", gehört und die die HBO-Behandlungen darin durchgeführt haben.

Weiterhin die Überlebenden Matt, ein Bekannter der Yoos, der wegen Fertilitätsproblemen die Therapie macht und Teresa, deren Tochter Rosa Patientin ist.

Zudem ist eine Reihe von aktivistischen Frauen aufgefallen, die am Tag des Unfalls gegen die HBO-Behandlung protestierten und den teilnehmenden Müttern sowie den Betreibern mit Konsequenzen drohten.

Die Beweise erscheinen eindeutig:

Elizabeth wirkt nicht erstaunt und verzweifelt, sondern eher froh über den Tod ihres Sohnes.

Sie schweigt, zeigt keinerlei Regung während des Prozesses und auch nicht, als ihr vorgeworfen wird,  dass sie Henry schlecht behandelt hat und sich seinen Tod wünschte...

 

Doch auf den zweiten Blick ist längst nicht alles so klar, wie es scheint.

Eine Reihe von merkwürdigen Vorfällen am Tag des Brandes muss geklärt werden:

Wer überwachte die HBO-Behandlung?

Wer sorgte für einen Kurzschluss, indem er Luftballons in die elektrischen Leitungen am Haus steigen lies und warum?

Woher stammen die Zigaretten und die Streichhölzer, die den Brand auslösten?

 

Letzendlich kommen mehr Geheimnisse ans Licht, als allen Beteiligten lieb ist - denn jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten.

Einmal gemachte Fehler können zwar übertüncht, aber nicht ausradiert werden - und früher oder später holen sie einen wieder ein, egal, wie weit man auch flieht.

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Mit ihrem Debütroman spinnt Angie Kim eine ganz eigene, ausgesprochen intensive Geschichte über Schuld, die Liebe einer Mutter und das Verhalten einer Gesellschaft an sich.

Nicht nur die Situation koreanischer Einwanderer in den USA ist zentrales Thema des Romans, sondern auch die Frage, ob und wie man sein Kind "am besten" lieben kann - sofern das überhaupt möglich ist.

 

Virtuos hält sie dem Leser einen Spiegel vor und öffnet diesem die Augen: scheinbar eindeutige Wahrheiten sind keineswegs eindeutig, sondern Teil einer ganz anderen Geschichte.

Auch die handelnden Personen sind weder wirklich unschuldig noch schuldig und sie in ihrer Entwicklung während der Romanhandlung zu betrachten, ruft manchmal Abscheu, Mitgefühl und Wut hervor.

Die dumpfe Verzweiflung, die in Miracle Creek herrscht, wird eindrucksvoll dargestellt und diese bedrückende Stimmung lockt den Leser oftmals auf ganz falsche Fährten.

 

Der große Knall bleibt am Ende aus - doch auch nur auf den ersten Blick.

 

 

 

 

 

 

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