Es braucht nicht viel, um das Leben nahezu einer ganzen Klasse durcheinander zu bringen:
eigentlich bloß einen privaten Online-Blog und einen vergessenen Laptop im Bus.
Nachdem jemand diesen Laptop mit Julias Tagebucheinträgen darauf findet und ungefiltert veröffentlicht, brennt sozusagen die Luft - und die Suche nach dem oder der Schuldigen geht los!
Natürlich stürzen sich alle zuerst auf Julia, schließlich sind es ihre Gedanken zu Mitschülern und Freunden, die da schonungslose und brachiale Eindrücke von Personen aufzeigen, die alles andere als glücklich darüber sind.
Ihr Freund Leonard, der Mädchenschwarm, der in Julias Augen eigentlich Mitleid verdient hat und dessen Ruf mit zwei Sätzen zerstört wird.
Ihre beste Freundin Marlene, die sie liebt und gleichzeitig hasst.
Edgar, der unauffällige Streber, mit dem sie eine Zufallsbekanntschaft verbindet, hinter der mehr steckt, als gedacht.
Linda, die jahrelang von Julia und der Clique gemobbt wurde - und nun in Verdacht steht, aus Rache zurückgeschlagen zu haben.
Fast jeder hat ein Motiv, jeder hat sich irgendwie schuldig gemacht und der Verantwortliche muss gefunden und bestraft werden!
Trotzdem tappen alle bei der Suche nach dem Täter oder der Täterin im Dunklen.
Und wer hat eigentlich mehr Schuld - Julia, die geschrieben hat oder derjenige, der ihre Gedanken veröffentlicht hat?
Und ist die Frage nach der Schuld eigentlich jetzt noch wichtig?
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Anne Freytag legt mit ihrem fünften Jugendbuch die Messlatte für sich selbst wieder eine Stufe höher.
Wir alle haben wohl Gedanken gegenüber Freunden, Bekannten, Kollegen im Kopf, die nicht immer schmeichelhaft, aber zumindest nicht verletzend sind, da wir sie nicht aussprechen.
Was passiert, wenn so ein Eindruck umgebremst losgelassen wird, erfährt man in "Das Gegenteil von Hasen".
Wie für Freytag üblich, ist man ab der ersten Seite mittendrin und kann gar nicht anders, als mitzuschwimmen. Die morbide Faszination, herauszufinden, was genau Julia über die einzelnen Personen geschrieben hat, entwickelt einen regelrechten Sog auf den Leser und verfolgt ihn das ganze Buch über.
Dabei ändert sich jedoch nicht nur der Blickwinkel, sondern auch die Symapthie und Antipathie gegenüber den Figuren. Was anfangs eindeutig Abneigung ist, wird schnell zu Mitleid und schließlich zu Verständnis - bis man am Schluss angekommen eigentlich gar nicht mehr weiß, wer nun schuldig ist und wer nicht. Und ob das überhaupt noch irgendeine Rolle spielt.
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Anne Freytag ist ihrem Ruf eine der besten Stimmen auf dem deutschen Jugendbuchmarkt zu sein, wieder einmal uneingeschränkt gerecht geworden.
Deswegen die deutliche Empfehlung für Jugendliche ab 14 und den geneigten Leser jenseits der Pubertät:
Lesen!
Bitte, und zwar schnell.