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John Boyne "Als die Welt zerbrach"
Die Fortsetzung des Bestsellers "Der Junge im gestreiften Pyjama"
Buchtipp von Nadja Schettler
Geschrieben am 18.10.2022
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Jahre nach der Veröffentlichung seines Bestsellers "Der Junge im gestreifen Pyjama" erzählt John Boyne die Geschichte von der anderen Seite des Zauns weiter.

 

In "Als die Welt zerbrach" spricht die über 90jährige Gretel - die Tochter des Lagerkommandaten in Auschwitz und Schwester des kleinen Brunos, der auf tragische Weise verschwand.

 

Gretel hat sich in England niedergelassen und lebt zurückgezogen und unerkannt in ihrem Haus im Londoner Villenviertel. Sie gedenkt auch, es bis zu ihrem Lebensende dabei zu belassen, doch dann zieht eine neue Mieterin ein, die einen kleinen Sohn mitbringt - und dieser weckt Erinnerungen in ihr, an die sie gar nicht rühren mag. Die sie jahrzehntelang erfolgreich unter den Teppich gekehrt hat.

Aber nun muss sich Gretel erinnern - an alles, was gewesen ist: die überstürzte Flucht aus Deutschland. die traumatischen Ereignisse in Paris und Australien. 

Und an die Schuld, die sie auf ihrem Fluchtweg trotzdem immer mitgenommen hat, bis heute.

Nun steht sie vor einer folgenschweren Entscheidung: soll sie riskieren, dass ein wieder unschuldiger Mensch zu Schaden kommt, nur, weil sie schweigt?

Oder riskiert sie ihr gesichertes Leben, um dieses Mal das richtige zu tun?

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15 Jahre nach der Veröffentlichung seines preisgekrönten Romanes "Der Junge im gestreiften Pyjama" schließt John Boyne mit Gretels Geschichte nahtlos an die Ereignisse des ersten Bandes an.

Und obwohl man weiß, wie diese sich entwickelt haben und endeten, ist Gretels Sichtweise doch eine ganz andere.

Verdrängung, Schweigen und Schuldgefühle bestimmen ihr Leben und machen sie dem Leser anfangs natürlich nicht gerade sympathisch.

Trotzdem entwickelt die Geschichte einen unnachahmlichen Sog und schließlich weiß man gar nicht mehr, ob man nun Mitleid mit Gretel haben soll oder sie für ihre Taten - und ihre Entscheidungen - zur Rechenschaft gezogen sehen möchte.

Gibt es für sie überhaupt noch ein Richtig oder Falsch? Und wie wichtig ist diese Frage?

 

Boyne versteht es auf seine ganz eigene Weise, mit den Emotionen zu spielen und dem Leser den Kopf zu verdrehen. 

Seine Figuren denken und handeln zutiefst menschlich - und Glück und Leid liegen dabei oft nur einen Wimpernschlag nebeneinander.

 

Nicht immer kann und muss eine Fortsetzung etwas Gutes bedeuten und in die Fußstapfen eines erfolgreichen Vorgängers treten. 

"Als die Welt zerbrach" jedoch ist diese Fortsetzung, von der wir nicht wussten, dass wir sie brauchen oder wollen. 

Die Geschichte von der anderen Seite des Zauns.

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